Anlehnen und Wohlfühlen – Teil 2
Im ersten Teil des Artikel habe ich Dir erklärt, was überhaupt die Anlehnung ist und wie sie generell aussieht. Hier geht es nun darum, wie sie sich anfühlt und vor allem: wie sie gelingt.
Wie fühlt sie sich an?
Über das Wort Anlehnung als solches und das Gefühl, das damit verbunden ist, hatten wir uns ja schon Gedanken gemacht. Anlehnung ist eine ruhige und angenehme Form des Kontaktes, die weder zu fest und einengend, noch wackelnd hüpfend oder gar ruckelnd ist. Es ist eine kontinuierliche weiche, haltgebende Verbindung zwischen zwei Lebewesen. In unserem Fall zwischen Pferd und Reiter.
Häufig kommt dann an dieser Stelle die Frage, wie stark denn die Verbindung ist. Also wieviel Gewicht der Reiter denn etwa für diese Verbindung in der Hand spürt. Ich finde es sehr schwierig, das in Grammangaben auszudrücken, denn eine Anlehnung ist dann angenehm für beide Seiten, wenn sich beide Lebewesen damit wohl fühlen und sich weder eingeengt noch alleingelassen fühlen. Doch auch wenn es schwierig ist es in eine konkrete Angabe zu fassen, weil man einfach den unterschiedlichen Lebewesen damit nicht wirklich gerecht werden kann, möchte ich hier eine Angabe machen, die mir in der Vergangenheit für das Gefühl gute Dienste geleistet hat: Man kann sich vorstellen, dass man in jeder Hand etwa das Gewicht eines Stückes Butter fühlen sollte. Relativ leicht also, aber dennoch vom Gefühl her nicht so, dass man gar nichts in der Hand hat.
Das Gewicht eines Stückes Butter als Richtwert
Und noch zwei weitere Bilder haben mir bei der Ausbildung von Reitern bisher sehr geholfen und zwar zum einen das Bild einer Stange und zum anderen das Bild eines Gummibandes. Die Anlehnung muss prinzipiell beides sein. Weich und federnd wie ein Gummiband (Achtung: springend und hüpfend wie ein Gummi ist explizit nicht gemeint – siehe vorhin) und trotzdem konstant und stabil wie eine Stange. Wenn also das Pferd in seiner Anlehnung etwas freier wird, sollte die Reiterhand reagieren wie ein Gummiband indem sie weich die ursprüngliche Form der Anlehnung wieder einfordert. Wenn hingegen der Reiter seine Hand leicht noch vorne schiebt, sollte auch die Stirn-Nasenlinie des Pferdes dieser Erweiterung des Rahmens folgen, so dass die Anlehnung als konstante Verbindung erhalten bleibt. Das ist damit gemeint wenn es heißt, dass die Anlehnung vom Pferd gesucht und vom Reiter gestattet wird.
Die Verbindung zwischen Reiter und Pferd, eine Mischung aus Gummiband und Stange
So, jetzt sind wir schon ein gutes Stück weiter, denn an dieser Stelle wissen wir nun schon,
wie eine korrekte Anlehnung aussieht und wie sie sich anfühlt. Eine entscheidende weitere Frage ist nun wie es Dir gelingt, diese wesentliche Grundlage für die weitere dressurmäßige Ausbildung herzustellen.
Wie gelingt sie mir?
Schauen wir dafür wieder an den Anfang. Hier bin ich schon kurz darauf eingegangen was wichtig ist, um eine stetige und konstante Verbindung überhaupt erst zu ermöglichen: der sichere, losgelassene und ausbalancierte Sitz des Reiters. Denn nur wenn Du locker und ruhig im Sattel sitzt und Deine Hände unabhängig vom Körper bewegen kannst wirst Du es schaffen, eine so ruhige Zügelführung zu entwickeln, dass ein Pferd sich daran überhaupt anlehnen kann. Und was kannst Du machen für einen ausbalancierten Sitz? Üben, üben, üben. Am Besten immer wieder auch an der Longe. Denn dabei kannst Du Dich einfach nur auf das entspannte Sitzen konzentrieren bzw. eben gerade nicht darauf konzentrieren sondern Du kannst verschiedene Übungen machen, die Dir dabei helfen Dich zu entspannen und so noch ausbalancierter und noch ruhiger zu sitzen. Aber ist die Longe nicht eigentlich nur was für Anfänger? Sicher kennst Du die Wiener Hofreitschule. Wer dort eine Lehre als Bereiter machen möchte muss selbstverständlich schon zur Aufnahmeprüfung sehr gut reiten können. Wer es dann geschafft hat seine Lehre in diesem bekannten Ausbildungsstall machen zu dürfen, der darf während des gesamten ersten Ausbildungsjahres nur an der Longe reiten. Der Grund dafür ist genau der, dass der locker mitschwingende Sitz eine ganz entscheidende Grundlage für alle weitere Arbeit im Sattel ist. Die Longe ist also keineswegs nur etwas für Anfänger sondern sie hilft Dir immer wieder dabei, dass Du Dich einfach mal nur auf das Sitzen konzentrieren kannst.
Neben dem guten Sitz ist es dann noch wichtig, dass sich Dein Pferd mit einer aktiven Hinterhand bewegt. Warum ist das so wichtig? Einher mit einer guten Anlehnung geht, dass Dein Pferd die Wirbelsäule etwas rund macht, dass es sich also aufwölbt. Wenn es das tut kann es nämlich Dein Gewicht viel besser und leichter tragen, da sich dabei die Muskeln entspannen. So, wenn Du nun also möchtest, dass 1) Dein Pferd sich vertrauensvoll an Deine Hand (vorne) anlehnt und Du 2) weißt, dass es dabei den Rücken gleichmäßig aufwölben soll, dann musst Du 3) das Pferd hinten so aktiv haben, dass es zu einer gleichmäßigen und harmonische Aufwölbung kommen kann.
Und nun sind wir schon bei der nächsten Frage: wie kann ich mein Pferd in der Hinterhand aktiv halten? Mittlerweile ist die Pferdezucht ganz toll geworden. Es gibt viele Pferde, die aufgrund von gezielter Zucht schon über eine insgesamt sehr aktive Hinterhand verfügen. Das ist toll. Trotzdem muss man aufpassen, dass die Aktivität erhalten bleibt bzw. gibt es auch nach wie vor Pferde, die nicht von Natur aus schon so viel eigenen „go“ mitbringen. Doch auch das ist eigentlich überhaupt kein Problem außer dass es vielleicht etwas mehr Konzentration und Disziplin beim Reiter benötigt. Um die Hinterhand zu aktivieren bzw. aktiv zu halten ist es sinnvoll, immer wieder Abwechslung einzubauen. Du kannst also immer wieder wechselnde Hufschlagfiguren (z.B. Zirkel, Schlangenlinien, Volten etc.) oder verschiedene Übergänge (z.B. einfache Übergänge vom Trab in den Schritt oder doppelte Übergänge wie z.B. vom Schritt in den Galopp) oder Lektionen (z.B. eine ganze Parade, eine Vorhandwendung, Schenkelweichen etc.) reiten. Wichtig dabei ist die Abwechslung und dass Dein Pferd somit den Spaß am Arbeiten behält.
Das klingt jetzt alles recht einfach. Schwierig ist es auch nicht! Aber es ist sinnvoll, wenn Du einen Reitlehrer hast, der Dir immer wieder Anregungen und Tipps gibt wie Du weiter machen kannst sowie auch ein Auge darauf hat, ob Dir das was Du Dir vorgenommen hast auch wirklich gut gelingt. Manchmal sieht es nämlich leider anders aus als es sich anfühlt.
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